Ja, ich schäme mich für dieses Wortspiel, und zwar gleich doppelt, weil ich in Wahrheit ein bisschen stolz drauf bin. Aber es ist bei Albrech Vorsters Buch Warum wir schlafen wirklich unmöglich, während des Lesens einzuschlafen, denn es liest sich ebenso spannend wie unterhaltsam. In diesem Beitrag erzähle ich euch, was euch erwartet.

TL;DR
– Topaktueller Stand der Forschung von einem waschechten Wissenschaftler aus dem Feld, der aber über den Tellerrand seines Fachbereichs geschaut hat.
– So ist es ein bunter Strauß aus allen möglichen Dingen geworden, die man so zum Thema Schlaf wissen kann, will und sollte.
– Partywissensfaktor und Muss-man-wissen-Level: extremst hoch!

Sorry, verschlafen

Warum wir schlafen hätte ich schon längst lesen sollen. Bereits beim March for Science im Mai drückte mir Jo Hecker im Anschluss eine Visitenkarte von Albrecht Vorster in die Hand. Ich hatte ihm erzählt, dass ich ab September meine Doktorandenstelle zum Thema Schlaf beginne, und da hatte er direkt Albrecht auf dem Schirm, der ebenfalls dazu forscht und aktiv in der Wissenschaftskommunikationsszene ist – unter anderem mit Science Slams und eben auch seinem Buch. Damals landete Warum wir schlafen erst mal auf meinem „maybe pile“. Das ist mein Begriff für den mentalen Haufen mit all dem coolen Krempel, den ich mir „irgendwann mal ansehen muss, wenn ich Zeit habe“. Ihr ahnt schon, warum es der „maybe pile“ ist und nicht der „definitely pile“. Ich finde ständig zu viel coolen Krempel.

Nun hatte ich mir aber für einen Flug ein paar Paper zum Thema Schlaf eingepackt, aber dachte mir, dass ich ewig nichts Nicht-Wissenschaftliches mehr gelesen habe und habe gezielt die Flughafenbuchhandlung nach irgendeiner fiktiven Geschichte angesteuert. Ein Krimi, Fantasy, was auch immer. Hat nicht geklappt. Denn direkt am Eingang schaute Albrecht Vorster mich vom Cover seines Buches an. Magisch angezogen von meinem frischen Enthusiasmus für das Thema Schlaf und auch durch die Schuldgefühle, das Warum wir schlafen so lange ignoriert zu haben, griff ich zu. Bis zum Rückflug war ich dann auch schon durch mit dem Buch – und zwar nicht, weil es so kurz war.

Kurzer Überblick

Erst war ich skeptisch, denn: Ein Buch über Schlaf? Das ist ein Thema, das sich ähnlich gut kurz und knackig abhandeln lässt wie das Weltall, Quantenphysik oder die Beschreibung aller Insektenarten auf dem Planeten. Ein Fass ohne Boden, über das man beliebig viele Bücher schreiben könnte. Aber Albrecht kriegt den Spagat tatsächlich hin: Vom grundlegenden Aufbau von Schlaf über seine Funktionen bishin zu skurrilen Störungen und den Auswirkungen, wenn man das mit der geregelten Nachtruhe nicht so ernst nimmt. Dabei wird es biologisch und ist fachlich stets akkurat, aber niemals trocken oder kompliziert. Besonders überrascht war ich, ziemlich am Anfang lauter bekannte Namen aus meinem zukünftigen Feld in den Referenzen zu lesen: Schlaf und Gedächtnis. Ich hätte nicht erwartet, dass jemand in einem populärwissenschaftlichen Buch das Timing von Hirnwellen mit verschiedenen Frequenzen beschreibt, das im Schlaf die Kommunikation zwischen Hirngebieten und somit die Festigung von Gedächtnisinhalten ermöglicht. Für mich waren das bis vor wenigen Monaten noch neue Dinge und einiges von dem, was Albrecht beschreibt, hat es noch lange nicht in die Lehrbücher geschafft. Das ist so aktueller Stand der Wissenschaft, da ist die Tinte auf den zitierten Papers kaum getrocknet.

Beeindruckend ist auch, dass es in Warum wir schlafen zwar einen durchgängigen roten Faden gibt, es aber dennoch den eigenen Anspruch erfüllt, auch „häppchenweise“ lesbar zu sein. Wen bestimmte Kapitel besonders interessieren, der kann auch kreuz und quer durch das Buch streifen und sich die Antworten auf die Fragen heraussuchen, die ihn nachts am meisten wach halten.

Ein Buch für die ganze Familie.

Und den Tätowierer.

Auch ich habe mit Warum wir schlafen mein Partywissen gehörig upgegraded. Nur wenige Tage später löcherte mich mein Tätowierer (nur Terminplanung, keine neue Tinte) mit Fragen zum Thema Schlaf, die ich ohne Albrecht nicht hätte beantworten können. Viel besser noch: Ich konnte direkt auf das Buch verweisen und somit den Wissenshunger deutlich nachhaltiger stillen.

Man möchte Warum wir schlafen seiner Familie empfehlen. Besonders den Familienmitgliedern, die schnarchen. Laut. Sehr laut. Durch-zwei-Türen-und-einen-Flur-laut. Inklusive Schlafapnoe. Und mit hartnäckiger Weigerung, eine Schlafmaske zu tragen. Wenn ich die Dringlichkeit der Lage nicht vermitteln kann, kann es Albrecht vielleicht. Deswegen habe ich besagtem Familienmitglied sein Buch auch mal an dem Ort zurückgelassen, wo es am besten aufgehoben ist: Auf dem Kopfkissen.
Und wenn es auch auf taube Ohren stößt, dann war es wenigstens eine super Bettlektüre.


Quellen und Links in erwähnter Reihenfolge, Stand 19.08.2019

[1] Heyne Verlag (Paperback) – Abrecht Vorster: Warum wir schlafen.
[2] March for Science Germany
[3] Joachim Hecker