Katy Perry schreibt in einem tweet, Neuroplastizität sei die neue Schönheitschirurgie. Neuro – das heißt doch Gehirn, ne? Und Schönheitschirurgie … Oh Gott, ist die Selbstoptimierung beim Menschen bereits bis zum Gehirn vorgedrungen?!
Und wenn ich euch jetzt auch noch sage, dass genau das jeden Tag in eurem eigenen Gehirn passiert? Lest selbst.
TL;DR
– Katy Perry vergleicht in einem Tweet Neuroplastizität mit Schönheitschirurgie
– Viele Gemeinsamkeiten gibt es aber nicht: Neuroplastizität bedeutet nur, dass das Gehirn plastisch ist, sich also stetig verändert und neu vernetzt. Das passiert zum Beispiel beim Lernen – ganz ohne, dass jemand wie ein Chirurg daran herumfuhrwerkt.
– Kann allerdings auch so gemeint gewesen sein: Neuroplastizität (= Neues Lernen) ist viel besser als Schönheitschirurgie (= sein Äußeres optimieren)
Der Tweet

In diesem Tweet sagt Katy Perry: „Neuroplastizität ist die neue Schönheitschirurgie.“
Moment, was? Wir können unser Gehirn modifizieren, genau wie wir unseren Körper mit OPs verändern können? Schrauben Ärzte an unserem Gehirn, damit wir schlauer werden? Geht so was? Ist das gefährlich?
Wie das bei Twitter so ist, bestehen die meisten Reaktionen der Follower aus: „Bring ein neues Album raus!“ Von denjenigen, die sich tatsächlich für den Inhalt des Tweets interessieren, scheint die Mehrheit noch nichts von dem Begriff gehört zu haben, denn die Antwort *googlt Neuroplastizität* ist häufig.
Der Vergleich hinkt
Dr. Jens Foell rückt das in einer Antwort gerade. Wer auf Twitter ist: Dringende Empfehlung, übrigens! Jens ist deutscher Neuropsychologe in Florida und tweetet – in der Regel auf Englisch – sehr unterhaltsam über das Gehirn und kulturelle Unterschiede zwischen Deutschen und dem Rest der Welt.

Jens erklärt hier: „Bei allem Respekt: Neuroplastizität ist ein Begriff der für den natürlichen Mechanismus verwendet wird, den das Hirn dafür nutzt, sich zu verändern. Das ist Teil davon wie wir lernen und uns entwickeln.
Es gibt überhaupt keine Gemeinsamkeiten mit Schönheitschirurgie, abgesehen davon, dass in beiden Fällen eine Reihe von Veränderungen stattfindet.“
Etwas genauer
Vielleicht stoßen die Follower auf Twitter beim Googlen ja auch auf Links wie diesen hier, wo Neuroplastizität genauer beschrieben wird. Generell bedeutet Neuroplastizität nämlich: Verbindungen zwischen Nervenzellen werden stärker und schwächer, je nachdem, ob wir sie häufig benutzen oder nicht. Wir bilden dadurch zum Beispiel Assoziationen wie die Verknüpfung eines leckeren Geruchs mit noch viel leckereren Keksen. Auch im Alter findet das noch statt – sonst könnten wir vermutlich keine neuen Dinge mehr lernen – aber für Kinder ist es in ihrer Entwicklung natürlich besonders wichtig.
Vor allem aber: Kein Chirurg muss bei diesem Prozess nachhelfen. Das kriegt unser Gehirn schon selbst hin.
So. Und euer Gehirn ist jetzt auch ein bisschen anders verdrahtet, weil es jetzt das Wort „Neuroplastizität“ kennt – und es für immer mit Katy Perry verknüpfen wird.
Nachtrag
Wie einige Follower aufgeklärt haben, kann Katys Tweet durchaus auch anders gemeint gewesen sein, nämlich: Neuroplastizität (= Neues Lernen) ist viel besser als Schönheitschirurgie (= sein Äußeres optimieren). Das wäre durchaus eine schöne Message und ich halte es für plausibel, dass es so gemeint war. Ich bezweifle allerdings, dass das so klar geworden ist.
Auch wenn gute Pointen kurz sind, bedürfen sie manchmal etwas mehr Erklärung.
Links und Quellen in erwähnter Reihenfolge, Stand 12.01.2019
[1] Tweet von Katy Perry, 11.01.2019, 1:30 PM
[2] Twitter Account Katy Perry
[3] Twitter Account Dr. Jens Foell
[4] Tweet von Dr. Jens Foell, 12.01.2019, 10:34 AM
[5] Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik – Neuroplastizität