In Baden-Württemberg gibt es nun einen Studieneignungstest für das Fach Psychologie. Diese Prüfung soll für das Psychologiestudium notwendige Fähigkeiten und Vorwissen erfassen. Vorab gibt es ein Online Self-Assessment, um schon mal zu sehen, was einen so erwartet und ob das Studium zu einem passt. Ich habe zwar schon Psychologie studiert – umso neugieriger war ich jedoch, was der Test ergeben würde.
TL;DR
– Der STAV-Psych ist ein Eignungstest fürs Psychologiestudium, der zunächst nur in Baden-Württemberg die Chancen auf einen Studienplatz verbessern kann.
– Die Teilnahme kostet 100 € und ist mit einer Anreise an einen der Testorte verbunden.
– Ich habe mein Psychologiestudium zwar bereits abgeschlossen, absolviere aber trotzdem das Self Assessment, mit dem man sich auf den STAV-Psych vorbereiten kann.
– Meine Erfahrungen im Studium decken sich mit den Erwartungen, die der Test vermittelt.
– Die Fähigkeitentests sind auch für mich knackig – aber da es noch keine Normstichprobe gibt, weiß ich nicht, was mein Ergebnis für meine Chancen auf einen Studienplatz bedeuten würde.
Der STAV-Psych
Neu in Baden-Württemberg: Der Studieneignungstest vor dem Psychologiestudium. Er soll gleich mehrere Probleme beheben, mit denen das Psychologiestudium behaftet ist. Erstens, dass eine Zulassung bisher stark von der Abiturnote abhängt. Aufgrund der hohen Nachfrage bedeutet das: Ein niedriger 1er-Schnitt ist Voraussetzung, wenn man ohne Wartesemester dabei sein will. Zweitens will der Test informieren und helfen, Erwartungen mit der Realität abzugleichen. Noch immer fangen einige Leute ein Psychologiestudium an, ohne eine Vorstellung zu haben, was sie im Studium selbst oder dem darauf folgenden Berufsalltag so erwartet.
Die Teilnahme am STAV-Psych ist freiwillig, kann aber die Chancen auf einen Studienplatz erhöhen. Es ist also deutlich von Vorteil, den Test abzulegen – allerdings muss man dafür 100 € zahlen und den Test an einem der folgenden Orte ablegen: Freiburg, Heidelberg, Mannheim, Tübingen oder Ulm. Nachvollziehbar, dass das für einige Leute damit eher eine Einschränkung als einen Vorteil darstellt. Die Kosten sind natürlich insofern gerechtfertigt, dass durch die Testung Kosten und Aufwand entstehen. Andererseits bleibt abzuwarten, ob der Test dadurch auch die Chancengleichheit ermöglicht, die er anstrebt – oder ob er so nicht zu einer Verschärfung der Situation führt. Ich kann mir gut vorstellen, wen Kosten und Anreise eher abschrecken werden. Denkbar wären auch kommerzielle „Bootcamps“ und Lernmaterialien zur Testvorbereitung.
All diesen Befürchtungen wollen die Verantwortlichen von Anfang an entgegenwirken. Ob das klappt, wird sich in Zukunft zeigen.
Ich mache den Test. Nach dem Studium.
Letztes Jahr habe ich meinen Master in Psychologie beendet und schraube derzeit an meinem Doktor in Neuropsychologie. Das Studium hat mich also überzeugt, weiterzumachen und meine Leistungen haben auch dafür gereicht, einen Job zu ergattern. Hätte ich mich nach dem Test zur Selbsteinschätzung, den man im Rahmen des STAV-Psych absolvieren kann, ebenfalls für den Weg in die Psychologie entschieden?
Selbstverständlich sind meine Ergebnisse zum jetzigen Zeitpunkt alles andere als gültig. Der Fähigkeitentest mag vielleicht zu einem eher kleinen Teil vom Studium beeinflusst sein, aber da ich das „echte“ Studium gesehen habe, sind meine Erwartungen überhaupt nicht mehr mit denen zu vergleichen, die ich vor dem Studium hatte. Trotzdem war ich neugierig, ob sich meine Einschätzungen des Studiums mit denen decken, die das Online Self-Assessment abfragt.
Im Erwartungs- und Interessentest gebe ich für verschiedenste Inhalte an, wie sehr sie mich interessieren und wie sehr ich vermute, dass diese Themen später im Studium abgedeckt werden. Das reicht von „Welche Persönlichkeitstypen und Intelligenzmodelle es gibt“ über „Welche mathematischen Methoden die Psychologie als Wissenschaft nutzt und welche theoretischen Überlegungen diesen zugrunde liegen“ bishin zu „Wie man andere Menschen manipulieren kann“.
Am Ende zeigen zugegeben ziemlich dicht mit Informationen vollgepackte Grafiken an, wie sehr mich Fachgebiete der Psychologie interessieren und ob sie stärker oder weniger stark behandelt werden, als ich mir das gedacht hatte.
Ich interessiere mich wohl für Psychologie
Die allermeisten Balken sind für mich grün und zeigen starkes bis sehr starkes Interesse an. Selbst die Fächer, die ich im Studium am wenigsten leiden konnte, Sozialpsychologie und Entwicklungspsychologie, sind zumindest gelb (mittleres Interesse). Es gibt auch eine Kategorie „häufige Irrtümer“ (dazu gehörte die Frage nach der Manipulation von Menschen) – das ist das einzige Thema, für das ich (beinahe) überhaupt kein Interesse zeige. Das bisschen Restinteresse lässt sich dadurch erklären, dass ich die Fragen nicht immer eindeutig fand. „Manipulation von Menschen“ kann man z.B. auch als die Dinge verstehen, die man über Werbung lernt. Auch „Interpretation von Träumen“ kommt in der Form, wie man es jetzt im Kopf hat, absolut nicht im Psychologiestudium vor (und ist auch hoch unseriös). Aber die Funktion von Träumen wird dennoch seriös und empirisch untersucht. Hier hätte ich mich über ein wenig mehr Differenzierung gefreut.
Insgesamt scheine ich aber ein großes Interesse für die Studieninhalte zu haben und meine Einschätzung, in welchem Ausmaß sie behandelt werden, deckt sich auch mit der der Experten. Wenn überhaupt denke ich bei allen Themen insgesamt, dass sie häufiger vorkommen – vielleicht habe ich den Gesamtaufwand des Studiums überschätzt. Ein bisschen freue ich mich, dass ich die Irrtümer weniger häufig als Studieninhalte vermute, als selbst die Experten das tun.
Zusammenfassend vermittelt das Test das Bild, das ich auch immer predige: Psychologie umfasst in einem nicht zu unterschätzenden Maß Biologie, Statistik und Methodik. Dazu gesellt sich natürlich allgemeine Psychologie, wie Lernen funktioniert, Gruppen sich Verhalten, die menschliche Entwickling abläuft, psychische Störungen entstehen oder Arbeitsplätze gut gestaltet werden.
Es ist ein Intelligenztest
Dann ist da noch der Fähigkeitentest. Die hier präsentierten Aufgaben stellen einen Ausschnitt aus dem eigentlichen STAV-Psych dar. Das bedeutet: Wie gut ich hier abschneide, gibt mir ein Gefühl dafür, wie ich mich beim STAV schlagen würde. Und somit, wie sehr ich meine Chancen aufs Studium steigern könnte. Außerdem sollen die abgefragten Fähigkeiten denen entsprechen, die ich fürs Psychologiestudium benötige.
Eine solche Fähigkeit scheint Intelligenz zu sein. Denn zunächst bekomme ich drei Aufgaben, bei denen ich Matrizen aus Symbolen vervollständigen muss. Hier muss ich zeilenweise die Regelmäßigkeit erkennen, die dahinter steckt. Die Aufgaben steigen in ihrer Schwierigkeit und bei der dritten und letzten muss ich viele verschiedene Regeln gleichzeitig kombinieren. Nicht schwierig – eher zeitaufwändig. Denn für jede Aufgabe steht später im Schnitt weniger als eine Minute zur Verfügung. Manche lassen sich schneller lösen, aber für einige braucht man eben länger – meine Vermutung ist, dass es schwierig werden wird, in der geforderten Zeit alle Aufgaben zu bearbeiten. Aber das ist üblicherweise Absicht bei solchen Tests: Wenn man eine große Streubreite an Fähigkeiten abbilden will und nicht möchte, dass alle Teilnehmer die volle Punktzahl erreichen, muss man die Aufgaben knackig gestalten. Vor allem, wenn man davon ausgeht, dass potenzielle Teilnehmer wie wild genau den geforderten Aufgabentyp üben werden.

Danach: Numerisches Schlussfolgern. Mehr oder weniger Kopfrechnen um diverse Ecken. Auch hier müssen mit zunehmender Schwierigkeit immer mehr Schritte im Kopf behalten werden und ein Taschenrechner ist nicht erlaubt. Meine Kopfrechenfähigkeiten sind, charmant ausgedrückt, eingerostet. Ich hätte mir für jede Aufgabe alle Zeit der Welt nehmen können, bis ich sicher beim richtigen Ergebnis gelandet bin. Aber mit Blick auf die Zeitbegrenzung beim echten Test habe ich bei der letzten Aufgabe, als schon viel Zeit verstrichen war, ein halbgares Ergebnis angeklickt. Und mit einem Fehler bezahlt.
Zum Schluss folgen sechs Aufgaben zum verbalen Schlussfolgern, das heißt: Verkettungen logischer Aussagen, zu denen man dann eine passende weitere Aussage identifizieren muss. Die erste Aufgabe dieser Art ist noch ein Spaziergang im Park und ich habe mich über dieses Fragenformat sehr gefreut – immerhin programmiere ich gern und Verknüpfungen von und, oder und Co. sind dabei immens wichtig. Später rauchte mir dann aber ordentlich der Kopf. Auch hier habe ich mich nicht endlos Zeit gelassen – und zu meiner Schande zwei Fehler bei sechs Aufgaben kassiert.
Und? Bin ich geeignet?
Tja. Gute Frage. Denn: Ich kann meine Leistung nicht einordnen. Was fehlt, ist die Normstichprobe. Ich müsste wissen, wie die anderen Kandidaten abschneiden, um mir ausrechnen zu können, wo ich auf der Rangliste einzuordnen wäre. Ich würde mal vorsichtig schätzen, dass die Fehler, die ich gemacht habe, mir keine besonders gute Position verschaffen würden. Aber vermutlich würde man vor dem echten Test auch emsig üben.
Allerdings denke ich sowieso, dass ich den STAV-Psych nicht gemacht häte, wäre er damals für mich relevant gewesen. 100 € wären ein Betrag, den ich mir theoretisch auch durch einen Nebenjob hätte verdienen können. Die Anreise zum Test hätte ich wohl auch irgendwie gestemmt bekommen – und geübt hätte ich vorher sicher auch. Aber vermutlich hätte mir die Vorstellung nicht gefallen, dass der Studienplatz jetzt zusätzlich davon abhängt, wie gut ich die anderen Bewerber in einer Art Intelligenztest ausstechen kann.
Das ist natürlich irrational, denn vorher ging es schließlich allein darum, wie gut ich die anderen Bewerber mit meiner Abiturnote ausstechen kann. Vielleicht ist es mit mehr verschiedenen Kriterien wirklich fairer. Aber ob man mit dem zusätzlichen STAV-Psych wirklich eine andere Zusammensetzung an Studierenden erhält, als sich bisher über die Abiturnote ergibt, wird sich zeigen.
Leute wie ich wären vermutlich vorher ausgestiegen und hätten sich eine andere Naturwissenschaft gesucht, die einen solchen Aufwand nicht erfordert. Bestimmt wäre ich in der Biologie oder Chemie auch zufrieden gewesen. Wenn ich auch glaube, dass die Psychologie eigentlich eine besonders gute Passung für mich darstellt.
An dieser Stelle könnte man natürlich argumentieren: „Wenn du es sowieso gar nicht so sehr gewollt hättest – dann wäre es ja ganz gut gewesen, anderen den Vortritt zu lassen!“
Vielleicht.
Vielleicht zeigt meine mangelnde Motivation für den STAV-Psych, dass ich das Studium nicht „verdient“ habe. Auch, wenn ich nicht glaube, dass das das einzige mögliche Kriterium für Herzblut ist. Letztendlich gilt der Test ja momentan auch nur für Bewerber in Baden-Württemberg. An meinem Studienort NRW wäre ich gar nicht betroffen gewesen.
So wie die Dinge jetzt liegen, bleibe ich unentschlossen über den STAV-Psych und warte ab, wie die Daten aussehen werden, die reinkommen. Die Daten des Tests selbst und was er mit der Kohorte der Psychologiestudierenden macht. Bis dahin schwelge ich in Was-wäre-gewesen-wenn-Gedanken und stelle mir eine Welt vor, in der ich das mit dem Test und dem Studium bleiben gelassen hätte.
Quellen und Links in erwähnter Reihenfolge, Stand 11.02.2020
[1] Online Self Assessment für den Studiengang Bachelor-Psychologie
[2] 100 Euro für die (erfolgreiche) Bewerbung auf ein Psychologiestudium. Kann das fair sein? – Studierende im BDP – 22.12.2019
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